Bekanntlich besetzen Tiere, wie zum Beispiel Vögel, Reviere um… ja was eigentlich? Party zu machen?
Reviere sind Bereiche, die von Vögeln gegen ihre Artgenossen und andere Arten verteidigt werden. Sie dienen der Verteidigung von Nahrung und Weibchen. Aber es steckt noch mehr dahinter. Vogelreviere werden nämlich nicht nur jedes Jahr neu besetzt, sondern ändern sich auch während des Jahres.
Mal groß, mal klein
Dieser Größenwechsel hat damit zu tun, dass die Anzahl der Vögel von Jahr zu Jahr, aber auch unter dem Jahr schwankt. Außerdem gibt es zum Sommer hin mehr Insekten. Das heißt mehr Vögel finden ausreichend Futter auf einer kleineren Fläche.
Die meisten Vögel brüten außerdem mehrmals pro Jahr. Die sogenannten Zweit- und Drittbruten haben meistens jedoch weniger Eier und somit wird weniger Futter benötigt, was dazu führt, dass die verteidigten Bereiche kleiner werden.
Oft ist die Reviergröße aber auch zufällig bedingt.
No borders! No Nation!
Reviere sind also nicht wie Nationen, mit fixen Grenzen, sondern eher flexible Bereiche wie auf einer Picknickwiese. Wenn wenig Leute da sind, liegt mensch weit auseinander. Legt sich eine zu nahe hin, wird sie komisch angeschaut. Wenn es enger wird verringert sich aber der Abstand.
Es gibt auch nicht „DAS“ Revier. Viele Vögel nutzen verschiedene Bereiche für bestimmte Zwecke und mensch spricht von Paarbildungsrevier, Brutrevier oder Nestrevier.
Reviere feststellen
Um die Anzahl verschiedener Reviere festzustellen kannst du durch den Wald gehen und notieren, wie oft du einen bestimmten Vogel singen hörst oder siehst. Meist werden die Reviere von Männchen durch Gesang verteidigt, es gibt aber auch Arten, bei denen die Weibchen ebenfalls Territorien verteidigen.
Wichtig: Jedes Individuum nur einmal notieren. Kommt der Gesang von der selben Stelle wie noch vor zwei Minuten ist es vermutlich derselbe Vogel.
Hier zahlt es sich aus mit aufgenommenen Gesängen zu üben. Manche Vögel sind nämlich so schwer zu sehen, dass es leichter ist, sie über den Gesang zu zählen.
Ein Beispiel bitte!
Als ich letztens eine Runde im Türkenschanzpark gedreht habe, habe ich im ganzen Park eine einzige Mönchsgrasmücke gehört. Das heißt noch nicht, dass der Vogel hier brütet, aber es heißt so viel wie „Hier esse und liebe ich, verpiss dich du anderer Vogel!“
Wie du siehst sind Vogelbeobachtungen relativ leicht zu machen. Zettel und Stift, Augen und Ohren, mehr brauchst du nicht.
Viel oder wenig?
Hochgerechnet auf die Fläche des Parks wären das weniger als ein Mönchsgrasmücken – Brutpaar pro Hektar. Um zu beantworten was das bedeutet ist Fachliteratur gefragt. Genauer genommen ein Wälzer, für den ich beinahe einen Gabelstapler brauche: „Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas“.
Schnittiges Buch. Es liefert die Entscheidende Information:
„[…] in Optimalhabitaten in Europa bis ca. 400 BP [Brutpaare]/km², in ´Normallandschaft´aber oft nur 3-7 BP/km²“
Ok, der Türkenschanzpark ist also dünn besiedelt. Anscheinend handelt es sich um eine ‚Normallandschaft‘. Vielleicht hat es den Mönchsgrasmücken aber auch zu viel geregnet oder die sogenannte Lebensraumausstattung (sozusagen die Möblierung) ist schlecht.
Verstehen was du siehst
Beobachtungen von Vogelbeständen sind schwer zu deuten und erfordern Hintergrundwissen. Ein kalter Winter im Überwinterungsgebiet und die Zaunkönige kratzen ab. Sitzt du bei deiner Beobachtung aber nicht zufällig im Überwinterungsgebiet bekommst du davon erst was mit, wenn es im Frühjahr kaum Zaunkönige gibt.
Vielleicht gibt es auch eine Katze in der Nähe. Da kann die Lebensraumausstattung noch so gut sein, es wird nur wenige Zaunkönige geben. Liegt es jetzt also an einem kalten Winter, an einer Katze oder tatsächlich an der Lebensraumausstattung?
Hier stellt sich auch die Frage wie sehr eine Vogelart tatsächlich an die, in der Literatur beschriebene, Lebensraumausstattung gebunden ist. Die kleinen Pieper sind nämlich oft überraschend flexibel. Wenn du also eine Art an einem unerwartetem Ort findest ist das ganz normal.
Wenn du Schlüsse über die Lebensraumausstattung aus deinen Beobachtungen ziehen willst ist es wichtig langfristige Beobachtungen, mit Wetterdaten und anderen internationalen Beobachtungen zu kombinieren. So kannst du ausschließen, dass deine Interpretation durch zum Beispiel kalte Winter verfälscht werden.
Wie beobachtest du die Vögel in deiner Umgebung und was sind deine Tricks dabei? Schick mir ein Kommentar!
Update: Der Artikel bezieht sich hauptsächlich auf Singvögel. Andere Artengruppen, wie zum Beispiel Rabenvögel können nicht wirklich singen.
Quellen:
Bauer H.-G.; Bezzel, E.; Fiedler, W. (2012): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas; AULA-Verlag Wiebelsheim
Glück, E.; Götz, K. (1985): Abhängigkeit der Reviergröße beim Buchfinken (Fringilla coelebs L.) von der Habitatstruktur; Ornithologische Gesellschaft Baden-Würtemberg.
Rutschke, E. (1986): Zur Dynamik und Funktion von Vogelrevieren. In Naturhistorisches Museum Wien.
Schuster, A. (2006): Bestandesgrößen und Revierdichten der Brutvögel des Auwalds und des Röhrichts in der Reichersberger Au (Inn, Oberösterreich). In Vogelkundliche Nachrichten Oberösterreich, Naturschutz aktuell.
Ich finde es extrem wichtig, dass man versucht auf unsere Natur Rücksicht zu nehmen. Auch wenn das heißt, dass man Abstriche machen muss.
Ich wollte vor Jahren mithilfe meiner (Standard)Baufirma ein Haus in der Nähe von Wien bauen. Das wurde aber abgeblasen, da wir den dort ansässigen Vogelbestand sonst stören würden.
Natürlich war ich zuerst extrem verärgert, aber je länger ich darüber nachgedacht habe desto mehr habe ich es verstanden. Und jetzt muss ich sagen war es die absolut richtige Entscheidung.
Natur geht vor, wir haben eh schon viel zuviel davon zerstört.